Steuerschulden und Steuererstattungen beim Zugewinnausgleich

Bei Steuerschulden bzw. Steuernachzahlungen und Steuererstattungen im Zugewinnausgleich ist in besonderem Maße das Stichtagsprinzip zu beachten. Maßgeblich ist, ob die Verbindlichkeit oder der Anspruch gegenüber dem Finanzamt an den Stichtagen der Eheschließung bzw. der Zustellung des Scheidungsantrags bereits entstanden war.

 

 

Steuerschulden und Steuererstattungen im Zugewinnausgleich - Allgemeines

Die Vermögensaufstellungen zum Zugewinnausgleich der Eheleute zu den Stichtagen „Endvermögen“ und „Anfangsvermögen“ sind im Trennungs- und Scheidungsfall ein Kernthema. Mit der Zustellung des Scheidungsantrages wird der Stichtag für das Endvermögen gesetzt. Für das Anfangsvermögen ist der Tag der standesamtlichen Eheschließung maßgeblich. Die jeweiligen Aktiva und Passiva des End- und Anfangsvermögens sind für jeden Ehegatten einzeln zu ermitteln. Dabei stellen sich regelmäßig Bewertungsprobleme und es ist zu klären ob Verbindlichkeiten oder Ansprüche unter zeitlichen Gesichtspunkten bereits Berücksichtigung finden können. Beim Zugewinnausgleich genügt es, wenn die Forderung oder Verbindlichkeit entstanden ist. Dass die Leistung bereits fällig ist, also vom Gläubiger verlangt werden kann, ist hingegen nicht erforderlich.
Im folgenden Beitrag möchten wir die Positionen Steuerschulden bzw. Steuernachzahlungen und Steuererstattungen beim Zugewinnausgleich näher betrachten.

 

 

Steuerschulden bzw. Steuernachzahlungen und Steuererstattungen und das Stichtagsprinzip beim Zugewinnausgleich

Bei Steuererstattungen und Steuernachzahlungen ist das im Zugewinnausgleich geltende Stichtagsprinzip besonders wichtig. Eine teilweise Aufteilung der Jahressteuer auf verschiedene Zeiträume kommt nicht in Betracht. Die Positionen, die zum Stichtag vollständig entstanden sind, sind einzustellen, erst künftig entstehende Ansprüche oder Verbindlichkeiten nicht.
Sowohl die Verpflichtung zur Steuernachzahlung als auch der Anspruch auf Steuererstattung entsteht bei der Jahreseinkommensteuer gemäß § 25 Abs. 1 EStG erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, also mit Ablauf des Kalenderjahres am 31.12. Damit können Steuernachzahlungen oder Steuererstattungen, die das Jahr betreffen, in dem der Scheidungsantrag zugestellt wird, beim Zugewinnausgleich keine Berücksichtigung finden. Steuernachzahlungen oder Steuererstattungen für vorausgegangene Jahre sind jedoch einzustellen.
Die vierteljährlichen Einkommensteuervorauszahlungen (z.B. bei Selbständigen) sind, wenn sie am Stichtag noch nicht bezahlt waren, ebenfalls in der Zugewinnbilanz zu berücksichtigen. Ein Gesichtspunkt, der oft nicht beachtet wird. Nach § 37 Abs. 1 EStG hat der Steuerpflichtige am 10.03., 10.6., 10.9. und 10.12. Vorauszahlungen auf die Einkommensteuerschuld des laufenden Jahres zu entrichten. Bei diesen vier Terminen handelt es sich aber um Fälligkeitstermine. Die Pflicht zur Entrichtung der Steuer entsteht bereits mit Beginn des Kalendervierteljahres, in welchem die Vorauszahlungen fällig werden. Rechtlich entsteht z.B. die Vorauszahlung für das 2. Quartal am 01.04.. Folgerichtig wäre dieser Betrag als Verbindlichkeit einzustellen, wenn z.B. am 15.4. der Stichtag wäre und die Vorauszahlung noch nicht geleistet wurde.


Merke:
Es kommt beim Zugewinnausgleich weder auf die Fälligkeit noch auf die tatsächliche Zahlung an, sondern auf den Entstehungszeitpunkt der Steuer.

 

 

Beispielsfälle zu Steuerschulden bzw. Steuernachzahlungen und Steuererstattungen im Zugewinnausgleich

Beispiel 1:
Urteil des BGH XII. ZS vom 08.12.2021, FamRZ 2022, 425 ff.:


Fall:
Die Eheleute heirateten standesamtlich am 31.12.2010, 14.30 Uhr. Für das Steuerjahr 2010 erhielt der Ehemann am 15.02.2011 eine Steuererstattung von 5.000,00 €. Der Ehemann möchte diese Steuererstattung beim Zugewinn im Anfangsvermögen als Aktivposition berücksichtigt haben.


Lösung:
Die Steuererstattung ist nicht zu berücksichtigen.
Im o.g. Urteil bestätigt der BGH dieses Ergebnis und verweist auf das Stichtagsprinzip:
Die Einkommensteuer und damit auch ein Erstattungsanspruch entsteht gemäß § 25 Abs. 1 EStG nach Ablauf des Kalenderjahres, also erst nach Ablauf des 31.12., hier also der 31.12.2010. Damit war das Veranlagungsjahr zum Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht abgelaufen und der Steuererstattungsanspruch zum Anfangstermin folglich noch nicht entstanden. Auch ein paar Stunden, hier von 14.30 Uhr bis 0.00 Uhr, können entscheidend sein. Es gibt keinen Kulanzspielraum.


Beispiel 2:


Fall:
Der Scheidungsantrag wird der Ehefrau am 21.12.2010 zugestellt. Der Ehemann möchte eine Steuernachzahlung für das Jahr 2010 in Höhe von 30.000,00 €, die mit Bescheid vom 01.02.2011 festgesetzt wurde, im Rahmen der Passiva des Endvermögens geltend machen.


Lösung:

Die Steuernachzahlung ist nicht zu berücksichtigen, da sie zum Stichtag, dem 21.12.2010, noch nicht entstanden war, sondern erst mit Ablauf des 31.12.2010. Es gelten obige Ausführungen entsprechend.

 

 

Tipps zu Steuerschulden bzw. Steuernachzahlungen und Steuererstattungen im Zugewinnausgleich:

Steuerschulden bzw. Steuernachzahlungen und Steuererstattungen müssen im Hinblick auf den Zugewinnausgleich immer in die Überlegung, wann ein Scheidungsantrag eingereicht bzw. zugestellt (Stichtag) werden soll, einbezogen werden. Das „Timing“ ist entscheidend!

Sofern der Steuerpflichtige ungewöhnlich hohe Gewinne in dem Jahr der Trennung erzielt und die Scheidung wahrscheinlich ist, sollte er beim Finanzamt darauf hinwirken, dass die Vorauszahlungen erhöht werden. Allerdings sollten nicht ins Blaue hinein zu hohe Vorauszahlungen, insbesondere bei Selbstständigen, geleistet werden. Spätere Erstattungsansprüche des Steuerpflichtigen wegen zu hoher Vorauszahlungen müssen in der Zugewinnbilanz als Gegenposition ebenfalls eingestellt werden und neutralisieren u.U. den Vorteil.
Geht die Initiative für die Scheidung von dem Steuerpflichtigen aus und rechnet er mit einer Steuernachzahlung, sollte mit der Scheidung gegebenenfalls abgewartet werden, bis das entsprechende Kalenderjahr abgelaufen ist. Dieses Vorgehen bietet sich vor allem dann an, wenn sich das Jahr ohnehin dem Ende neigt (vgl. Beispielsfall 2).
Der andere Ehegatte oder dessen Rechtsanwalt sollten sich später die endgültigen Bescheide für die entsprechenden Zeiträume, sei es Einkommensteuer, Gewerbesteuer oder Umsatzsteuer vorlegen lassen, damit entsprechende Erstattungsansprüche des Steuerpflichtigen überprüft und berücksichtigt werden können.
Zu beachten ist, dass das Thema Steuerschuld bzw. Steuernachzahlung und Steuererstattung nur ein Kriterium für das richtige „Timing“ zur Einreichung des Scheidungsantrags ist. Daneben können zahlreiche weitere Faktoren eine Rolle spielen, die ebenfalls in die Überlegung, wann der Scheidungsantrag gestellt werden sollte, mit einbezogen werden müssen. Eine sorgfältige rechtliche Beratung vor Manifestierung eines Stichtages (sowohl Anfangsvermögen als auch Endvermögen) ist im Zugewinnausgleich auf jeden Fall dringend erforderlich, da die Auswirkungen gravierend sein können.




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