Latente Steuern im Zugewinnausgleich

Zu den beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigenden Belastungen gehören auch die Steuern, die bei einem gedachten Verkauf des Vermögensgegenstandes zu den relevanten Stichtagen anfallen würden (sog. latente Steuern). Neben Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen wird dies insbesondere bei Immobilien, Wertpapieren aber auch Lebensversicherungen relevant.

 

 

Ob Ansprüche auf Zugewinnausgleich bestehen, ist durch Vergleich der jeweiligen Vermögen der Ehegatten bei Eheschließung („Anfangsvermögen“) mit denen bei Zustellung des Scheidungsantrags („Endvermögen“) zu prüfen (vgl. hierzu ausführlich unseren Beitrag zum Öffnet internen Link im aktuellen FensterZugewinnausgleich). Dabei stellt sich regelmäßig das Problem, den „wirklichen Wert“ eines Vermögensgegenstandes zu ermitteln. Der wirkliche Wert beinhaltet nach der Rechtsprechung zum Zugewinnausgleich aber auch, die mit einem gedachten Verkaufsfall des Vermögensgegenstandes verbundenen Belastungen zu berücksichtigen.
Zu derartigen Belastungen gehören insbesondere die Steuern, die bei einem (gedachten) Verkauf am jeweiligen Stichtag anfallen würden (sog. „latente Steuern“).

 

I. Latente Steuern im Zugewinnausgleich bei Unternehmensbewertungen

Die Berücksichtigung latenter Steuern im Zugewinnausgleich wurde von der Rechtsprechung zunächst nur bei der Bewertung eines Unternehmens, einer Unternehmensbeteiligung oder einer freiberuflichen Praxis angenommen. Der Bundesgerichtshof begründet den Abzug der Steuer damit, dass eine Bewertung im Rahmen des Zugewinnausgleichs, die auf den am Markt erzielbaren Preis abstellt, die mit einer Veräußerung zwangsläufig verbundene steuerliche Belastung wertmindernd einzubeziehen hat. Es dürfe nicht außer Betracht gelassen werden, dass dem Verkäufer wirtschaftlich nur der um die Steuern verminderte Erlös verbleibt.
Die latente Steuer ist nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen zu bestimmen, die am Stichtag vorlagen. In aller Regel wird die Höhe der latenten Steuer durch einen Steuerberater oder Sachverständiger ermittelt. Meistens erfolgt die Berechnung der latenten Steuer im Rahmen einer Gesamtbewertung des Unternehmens oder der freiberuflichen Praxis und darf nicht übersehen werden.
Folgende BGH-Entscheidungen geben zu der Art der Gesamtbewertungsmethode für inhaberbezogene Unternehmen und Praxen rechtliche und praxisrelevante Vorgaben, auf die an dieser Stelle hingewiesen wird: BGH NJW 2018, 61f., BGH NJW 2011, 2572f., BGH NJW 2011, 999f. Diese Vorgaben haben Sachverständige und Richter zu beachten.

II. Latente Steuern im Zugewinnausgleich bei anderen Vermögenswerten

Zur latenten Steuer im Zugewinnausgleich hat der BGH später entschieden, dass der Abzug auch bei anderen Vermögensgegenständen zu erfolgen hat, etwa bei Immobilien, Wertpapieren und Lebensversicherungen. Die Gleichbehandlung mit Unternehmen sei geboten, da auch hier dem Berechtigten wirtschaftlich nur der um die notwendigerweise beim Verkauf anfallenden Kosten gekürzte Wert verbleibt.

Beispiel:
Berücksichtigung einer latenten Steuerlast bei einer Immobilie im Endvermögen:
Der Scheidungsantrag wurde am 15.01.2020 zugestellt. Die im Eigentum des Ehemannes stehende Immobilie wird im Juni 2020 verkauft. Der Ehemann ist zugewinnausgleichspflichtig und will von seinem Endvermögen eine latente Steuerlast für die erfolgte Veräußerung der Immobilie in Höhe von,-seinem Steuerberater errechneten-, 150.000,00 € abgezogen haben.
Nach o.g. Grundsätzen des BGH ist die latente Steuerlast im Rahmen der durchzuführenden Bewertungsmethode abzugsfähig. Allerdings nicht bezogen auf das Datum des Verkaufs im Juni 2020, sondern auf die Zustellung des Scheidungsantrags. Es sind deshalb Verkehrswert des Objekts und die latente Steuer zum 15.01.2020 zu ermitteln.
Ob eine Veräußerung tatsächlich erfolgt oder zumindest beabsichtigt ist, ist unerheblich. Es geht bei der latenten Steuerlast rein um eine wirtschaftliche Bewertungsmethode zum Stichtag. Auf eine tatsächliche nachträglich, z.B. bei einer späteren Veräußerung-, gezahlten Steuer kommt es nicht an.


Lösung:
Insoweit konnte der Ehemann im Beispiel den Immobilienwert zum Stichtag um die latente Steuerlast mindern und hätte die Immobilie dafür nicht einmal verkaufen müssen.

Tipp:
Bei der Fertigung der Bilanzen zum Zugewinnausgleich ist der Wertansatz eines jeden einzelnen Vermögensgegenstandes daraufhin zu überprüfen, ob bei einem fiktiven Verkauf zum jeweiligen Stichtag unvermeidbare Kosten der Veräußerung anfallen würden, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Betreffende tatsächlich verkaufen will.
Insbesondere ist eine latente (fiktive) Steuerlast zu ermitteln und zu berücksichtigen. Der Hauptanwendungsfall in der Praxis liegt bei der Bewertung von Immobilien. Wer innerhalb von 10 Jahren nach Anschaffung eine Immobilie veräußert oder überträgt, muss einen dabei realisierten Gewinn versteuern. Eine wichtige Ausnahme davon stellt die steuerunschädliche Eigennutzung dar.
Der Anfall einer (latenten) Steuer kann für die Frage, wann der Scheidungsantrag eingereicht wird sogar entscheidend sein. Angesichts der steuerunschädlichen Eigennutzung (§23 I Nr. 1 Satz 3 EStG) muss sogar ein Auszug aus der ehelichen Wohnung in die Überlegungen einbezogen werden. Ein vorschneller Auszug aus der Ehewohnung kann zu erheblichen finanziellen Nachteilen führen!

Beispiel zur Spekulationssteuer bei Immobilienverkauf innerhalb der 10-Jahresfrist:
Die Eheleute M und F erwarben im Jahr 2009 eine Immobilie für 250.000 € zu hälftigem Miteigentum, die sodann von beiden Partnern bewohnt wurde. Im Jahr 2016 zog M aus, F blieb in dem Anwesen. Wenige Wochen nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages im Jahr 2017 wurde das Haus an den Dritten D für 500.000 € veräußert. Sodann zog F aus.


Lösung:
Der Veräußerungsgewinn der F ist aufgrund der Eigennutzung steuerfrei. Der Veräußerungsgewinn des M ist hingegen nach §22, 23 EStG zu versteuern, da zwischen Anschaffung und Veräußerung weniger als 10 Jahre lagen und er sich aufgrund seines Auszugs nicht auf eine privilegierende Eigennutzung berufen kann.
Unabhängig von der späteren Veräußerung kann und sollte M in seinem Endvermögen die (fiktiv zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags anfallende) Spekulationssteuer als Passivposten einstellen. So würde F über den Zugewinnausgleich die tatsächlich oder fiktiv anfallende Steuer mit tragen.


Variante:
Wäre das Haus erst im Jahr 2020 verkauft worden, wäre der Verkauf wegen Ablaufs der 10-Jahresfrist auch für M steuerfrei. Dies ändert aber nichts an der fiktiv einzustellenden Steuer zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags, da zu diesem Zeitpunkt die 10 Jahre noch nicht vergangen waren.
Sind bei Auszug die 10 Jahre noch nicht um, hat der ausziehende Ehegatte ein Interesse daran, dass der Verkauf erst nach Ablauf der 10-Jahresfrist erfolgt. Dann kann er den Wertzuwachs der Immobilie steuerfrei realisieren und dennoch dem anderen Ehegatten im Rahmen des Zugewinnausgleichs eine am Stichtag latent vorhandene Steuer entgegenhalten. In diesen Fällen bietet sich eine Vereinbarung dahingehend an, dass die Immobilie nicht vor Ablauf der 10-Jahresfrist verkauft werden darf und der ausziehende Ehegatte dem verbleibenden im Gegenzug im Hinblick auf den Zugewinnausgleich, jedenfalls soweit er auf der latenten Steuer beruht, entgegenkommt oder diesem eine günstige Weiternutzung der Immobilie bis zum Verkauf gewährt.


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