Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen - Schutz der Vertragsfreiheit

Erstellt von Rechtsanwalt Alexander Graf von Luxburg | | Aktuelle Beiträge

Seit dem Jahre 2001 unterliegen, basierend auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, FamRZ 2001,243f) und diesem folgend auch des Bundesgerichtshofes (BGH, FamRZ 2001, 629ff) Verträge von Eheleuten vor und bei Eheschließung wie auch bei Trennung, in denen sie die Folgen Ihrer Trennung und/oder Scheidung regeln, hinsichtlich ihrer Wirksamkeit einer sog. Inhaltskontrolle. Die Gerichte sind verpflichtet, solche Verträge daraufhin zu überprüfen, ob sie im Lichte der bei Vertragsschluss bestehenden Umstände sittenwidrig sind. Daneben besteht eine richterliche Prüfungspflicht auch dahin, festzustellen, ob die Berufung auf - wirksam zustande gekommene - Eheverträge - jetzt noch den Grundsätzen von Treu und Glauben entspricht (sog. Ausübungskontrolle).

1. Inhaltskontrolle und Ausübungskontrolle - Sittenwidrigkeit von Eheverträgen - bisherige Rechtsprechung

Hinsichtlich der Wirksamkeits- oder Inhaltskontrolle von Eheverträgen hat der BGH, auch insoweit dem Bundesverfassungsgericht folgend (BVerfG, FamRZ 2002, 527 f), zunächst sehr strenge Maßstäbe angelegt. So wurden nicht nur Verträgen die Wirksamkeit versagt, die  die Verteilung von Lasten und Rechten grob einseitig vornahmen, sondern auch solchen Verträgen, die nicht dem  „ allgemeinen Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten“ Rechnung trugen.  Im Ergebnis bedeutete dies, dass Verträge nur dann nicht unwirksam waren, wenn per Saldo Lasten und Pflichten in etwa „gleich“ verteilt waren. Vertragliche Verzichte bezüglich einzelner Scheidungsfolgen (Unterhalt, Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich) waren mit gleichwertigen Zugeständnissen  zu kompensieren. Dies war ein erheblicher Eingriff in die grundgesetzlich geschützte (Art. 2 I GG) Vertragsfreiheit. Er wurde damit begründet, dass für den Ehegatten, der wirtschaftlich oder persönlich (Schwangerschaft etc.) in der schwächeren Position war, möglicherweise keine „Waffengleichheit“ bei Vertragsschluss gegeben war. Deshalb sollte die richterliche Inhaltskontrolle dauerhafte Nachteile durch eine „evident einseitige Lastenverteilung“ bei den Scheidungsfolgen verhindern.
Dies war (und ist!) angesichts der vor 2001 häufig anzutreffenden Eheverträge mit „Totalverzichten“  (Verzicht auf Zugewinnausgleich, nachehelichen Ehegattenunterhalt und Versorgungsausleich für den  Fall der Scheidung) zumeist der weiblichen Vertragspartner.
Dagegen stellte die höchstrichterliche Forderung nach „gleicher Teilhabe am während der Ehe Erwirtschafteten“ Gerichte, Notare und Rechtsanwälte vor große Probleme. Hier brachte dann die vom BGH alsbald entwickelte „Kernbereichslehre“ ein wenig Abhilfe. Nach dieser Rechtsprechung wurde hinsichtlich der Zulässigkeit der Regelung von Scheidungsfolgen danach unterschieden, wie existenziell sie für den potentiell benachteiligten Partner waren. Existentiell wichtig waren und sind vor allem der nacheheliche Ehegattenunterhalt sowie der Versorgungsausgleich. Insbesondere der völlige, d.h. der kompensationslose Verzicht auf den nachehelichen  Unterhalt bei der Betreuung gemeinschaftlicher Kinder  wird nach wie vor als nicht zulässig erachtet. Eine solche Regelung ist sittenwidrig und zieht gegebenenfalls auch die Unwirksamkeit der übrigen Vertragsbestandteile nach sich.
Dagegen wurde  der Verzicht oder Teil - Verzicht  auf den Ausgleich des in der Ehe erwirtschafteten Zugewinns, der als „kernbereichsfern“ betrachtet wurde, eher „akzeptiert“.
Aber auch vertragliche Regelungen zum Versorgungsausgleich wurden stets darauf geprüft, ob eventuellen Verzichten möglichst „gleiche“ Kompensationen gegenüberstanden. Dies veranlasste beispielsweise die Gerichte, wenn ihnen ein Vertrag vorgelegt wurde, der einen (Total-)Verzicht auf den Versorgungsausgleich vorsah, grundsätzlich von Amts wegen die Auskünfte sämtlicher Versorgungtsräger einzuholen, um den Verzicht quantitativ zu bewerten. Dadurch verzögerten sich viele Verfahren.

 
2. Aktuelle Entscheidung des Bundesgerichthofs zur Sittenwidrigkeit von Eheverträgen

Mit seinem Beschluss vom  29.01.2014 (XII ZB 303/13, vgl. FamRZ  2014,629f) nimmt der BGH deutlich Abschied vom Grundsatz der „gleichen Teilhabe“ und erweitert damit den Rahmen, innerhalb dessen nun die Regelung von Scheidungsfolgen in einem Ehevertrag erfolgen kann.

Der BGH führt u.a. in diesem Beschluss aus

„Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird“

„…dass ein Ausschluss des gesetzlichen Güterstandes für sich genommen regelmäßig nicht sittenwidrig sei“,

„Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nach § 138 Abs. 1 BGB schon für sich genommen unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund des bereits beim Vertragsschluss geplanten (oder zu diesem Zeitpunkt schon verwirklichten) Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint. Das ist namentlich dann der Fall, wenn sich ein Ehegatte, wie schon beim Vertragsschluss geplant oder verwirklicht, der Betreuung der gemeinsamen Kinder gewidmet und deshalb auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit in der Ehe verzichtet hat. In diesem Verzicht liegt ein Nachteil, den der Versorgungsausgleich gerade auf beide Ehegatten gleichmäßig verteilen will und der ohne Kompensation nicht einem Ehegatten allein angelastet werden kann, wenn die Ehe scheitert“

“Es besteht (demgegenüber) auch bei scheidungsnahen Vereinbarungen grundsätzlich keine Verpflichtung des Gerichts, bereits von Amts wegen umfassende Ermittlungen zu den wirtschaftlichen Folgen eines etwaigen Verzichts auf den Versorgungsausgleich durchzuführen“

„… kann es nicht von vornherein missbilligt werden, wenn die Eheleute durch eine Vereinbarung den Versorgungsausgleich auf den Ausgleich ehebedingter Versorgungsnachteile des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten beschränken (Münch FPR 2011, 504, 508). Der Halbteilungsgrundsatz kann deshalb auch nicht als Maßstab für die Beurteilung herangezogen werden, ob die wirtschaftlich nachteiligen Folgen eines Ausschlusses des Versorgungsausgleichs für den belasteten Ehegatten durch die ihm versprochenen Gegenleistungen ausreichend abgemildert werden. Die von dem begünstigten Ehegatten vertraglich zugesagten Kompensationsleistungen müssen zwar zu einem angemessenen, aber nicht notwendig zu einem gleichwertigen Ausgleich für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich führen (Rauscher DNotZ 2004, 524, 538). Im Rahmen richterlicher Wirksamkeitskontrolle könnten die Kompensationsleistungen allenfalls dann als unzureichend angesehen werden, wenn sie nicht annähernd geeignet sind, die aufgrund des geplanten Zuschnitts der Ehe sicher vorhersehbaren oder die bereits entstandenen ehebedingten Versorgungsnachteile des verzichtenden Ehegatten zu kompensieren“

„Das Gesetz kennt indessen keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten, so dass auch aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein.
Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten.“


Diese Feststellungen erweitern den Rahmen der vertraglichen Entscheidungs- und Regelungsfreiheit  maßgeblich. Es ist also künftig davon auszugehen:  Sofern z.B. irgendeine Kompensation für während und durch die Eheschließung erfolgte Nachteile vertraglich geregelt wird, bleibt eine Unwirksamkeit infolge Sittenwidrigkeit auf extreme Fälle beschränkt. Neben der extrem ungleichen Lastenverteilung ist auch eine verwerfliche Absicht des „überlegenen“ Partners festzustellen, für welche allein die Disparität der geregelten Lasten und Rechte kein hinreichender Anhaltspunkt ist.

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